Berichte November 2021


25. November 2021/zeit
Neue Wandelkripee in Reicholzrieder Pfarrkirche
Dass in Supermärkten schon im September Lebkuchen angeboten werden - ein alter Hut. Aber dass in Reicholzried im Oktober eine Krippe aufgebaut wird: Das ist vielleicht doch ein bisschen viel der Vorfreude, oder? Tatsächlich bastelt eine Gruppe aus dem Diet-mannsrieder Ortsteil schon das ganze Jahr lang an der neuen Krippe; in liebevoller Kleinstarbeit. Dabei geht es nicht um irgendeine 08/15-Darstellung. Die Gruppe plant, zwölf verschiedene Szenen von 28. November bis 2. Februar zu zeigen.
„Wir wussten von älteren Leuten im Dorf: Da muss noch mehr da sein", erzählt Kirchenpfleger Jo Hartmann (56). Also begann die Suche - und endete am Dachboden der Kirche: Etwa 100 Krippen-Figuren, die ein Pfarrer gegen 1920 gekauft haben soll, tauchten auf. Manche mit Rokkoko-Köpfen, andere entstanden wohl um 1900. Auch ein verstaubter Herodes-Palast tauchte auf und ein Tempel zu Jerusalem. „Wir sagten uns: Das wollen wir wieder aufbauen", berichtet Hartmann.
Montags war daraufhin wöchentlich „Bauausschuss": Dann wurden Aufgaben neu verteilt, Fortschritte begutachtet und Pläne gemacht. Denn es ging ins Detail. Elfi Fleschutz, Evi Huber, Elisabeth Hartmann und Elisabeth Eyer-schmalz erschufen in detaillierter Näharbeit die Kleidung der Figuren. Feinmechaniker Thomas Fuchs („der ist furchtbar genau, das passt aufs Zehntel") erbaute mit Heribert Huber eine ganze Stadt: mit Blick für Kleinigkeiten und herausnehmbaren Wänden, um einzelne Szenen darzustellen; beleuchtet von winzigen Lampen, die Lothar Endres installierte. Auch der frühere Mesner Matthias Riegger packte mit an.
Viel Erfahrung brachte der Reicholzrieder und Kirchenmaler Gebhard Eyerschmalz ein. Er restaurierte Tempel und Palast, vergoldete Engelsflügel und Hohepriester, bemalte die ganze Stadt und einen Gebirgszug aus Styropor (das wegen Corona nur schwer zu bekommen war). Seine Malerei gibt den Elementen realitätsnahe Tiefe - bei aller Professionalität ließ er sich aber auch zu so manchem Scherz hinreißen. So malte er auf ein Schild einer Taverne einen Schriftzug, der zunächst unverständlich scheint, aus dem Jiddischen übersetzt aber so viel bedeutet wie „Gasthaus zum lustigen Kamel". Über einer Werkstatt steht „Jusf Tsimerman", übersetzt „Josef Zimmermann": „Ich hab überlegt, wie Josef wohl mit Nachnamen geheißen haben mag", sagt Eyerschmalz augenzwinkernd. Er weiß genau, dass Nachnamen erst später üblich wurden. Für Kinder habe er Details eingebaut, die dort eigentlich gar nicht hinpassen -ein Suchspiel. Und besonders muss Eyerschmalz lachen, als er ein Plumpsklo zeigt, das als Erker seitlich aus einem Gebäude heraussteht. Die vielen Details - nicht nur die humorvollen - dienen einem Zweck: „Man soll die Krippe lange anschauen können und immer Neues entdecken", sagt Eyerschmalz. Um sich eine Vorstellung von der perfekten Krippe zu machen, besuchten Eyerschmalz und Heribert Huber mehrere Krippenmuseen. Heribert Huber nennt Eyerschmalz den „Architekten" der Krippe: „Er achtet auf Details, wo wir anderen sagen: Der spinnt doch. Aber er hat Recht." Huber selbst ist Orthopädiemechaniker - und schnitzte als solcher etwa abgebrochene Finger neu.
Nun ging es zuletzt darum, die Details für die einzelnen Szenen festzulegen. Also beispielsweise: Wie viele Figuren haben als Gefolge der Heiligen drei Könige Platz? Nach dem Probeaufbau verschwand die Krippe wieder. Bis zum ersten Adventssonntag.
„Wir hoffen, dass sie viele Menschen in die Kirche lockt, sagt Kirchenpfleger Jo Hartmann. Sein Wunsch: Dass Kinder mit ihren Eltern wiederholt in die Kirche kommen - aus Neugierde, was sich in der Krippe verändert hat. Und dann, nach dem 2. Februar? „Dann bauen wir vielleicht noch weitere Tempel", sagt Thomas Fuchs.

Wandelkrippe

Erschufen die neue Wandelkrippe (von links): Evi Huber, Elfi Fleschutz, Heribert Huber, Gebhard Eyerschmalz, Thomas Fuchs, Jo Hartmann (vorne), (dahinter) Matthias Riegger, Lothar Endres und Elisabeth Eyerschmalz.